BILANZ: ZUGESTÄNDNISSE und ABSTRICHE

Vom RADENTSCHEID FREISING zu machende Zugeständnisse / Abstriche

Versuch einer Zwischenbilanz: Wo wurden im Vertrag Zugeständnisse und Abstriche vom Begehrenstext gemacht 

Auch wenn die Bilanz des Aktionsbündnisses Radentscheid Freising des mit der Stadt Freising geschlossenen Vertrages insgesamt positiv ausfällt, handelt es sich bei einem Vertrag zwischen zwei Parteien klar um einen Kompromiss. Damit sind die idealtypischen Forderungen des Bürgerbegehrens eben mit den Möglichkeiten und der Bereitschaft der Stadt Freising auszutarieren gewesen – auch mit Blick auf die Mehrheitsfähigkeit im Stadtrat.

Unabhängig davon ist es uns wichtig, insbesondere auch den mehr als 4.000 Freisinger:innen gegenüber, die unser Anliegen mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, auch offen klar zu machen, an welchen Stellen Zugeständnisse bzw. Abstriche von den im Begehrenstext formulierten Zielsetzungen gemacht worden sind, um die Zustimmung der Stadt Freising zum Gesamtvertrag nicht in Frage zu stellen.

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So hätten wir uns an vielen Stellen bei den Formulierungen etwas mehr Verbindlichkeit gewünscht. Der Text enthält – trotz allem Commitment der Stadt Freising – eben an vielen Stelle viele einschränkende Formulierungen wie „soll“ oder „ im Rahmen der Möglichkeiten“.

Nachfolgend sollen die Zugeständnisse und Abstriche in Bezug zu den 5 Zielen des Begehrenstextes betrachtet werden.

1) Ausbaustandards

Bei den Ausbaustandards (Ziel: Qualität von Radwegen)  mussten eine Reihe von Zugeständnissen gemacht werden, die teilweise auch durch die stadtstrukturellen und verkehrlichen Gegebenheiten in Freising bedingt sind.

a)  Breite von 2,30 m für Radfahrstreifen

Dieses Ziel von „Komfortbreiten“ für Radstreifen musste bei den konkret verhandelten Maßnahmen weitgehend aufgegeben werden. Eine Breite von 2,30 m erlaubt das Überholen auch von Lastenrädern auf Fahrradwegen/Radfahrstreifen. Diese Breite ist als Grundmaß in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RAST, Abschnitt 4.6) festgelegt. Gleichzeitig erlaubt die RAST eben bei verengten Verhältnissen auch entsprechend geringere Mindestbreiten.

Der hauptsächliche Grund für das weitgehende Aufgeben dieses Ziels sind die Breiten der Straßen in Freising. Anders als in Großstädten gibt es innerhalb des Stadtgebiets eben kaum mehrspurige Straßen, bei denen ein Kfz-Fahrstreifen für Radfahrer:innen umgewidmet werden kann und damit einen Radfahrstreifen von 2,30 ergeben würde. Eine Möglichkeit in Freising bestünde im unteren Teil der Mainburger Straße, bei einem vollkommenen Verzicht auf die jeweils zweite Kfz-Fahrspur, so wie sie vom Radentscheid in einer Aktion entsprechend gefordert worden war. Auch wenn für die Mainburger Straße die Anlage von eigenen Radfahrführungen vereinbart werden konnte, werden wohl in eine Richtung weiterhin zwei Kfz-Spuren erhalten bleiben.

Entsprechende Breiten wären auch möglich, wenn mehr Einbahnstraßenregelungen für den Kfz-Verkehr eingeführt würden (vgl. auch Punkt 2). Vor allem mit Blick auf die Stadtbusse sowie die Rettungs- und Einsatzfahrzeuge wurde der Beachtung der 2-Richtungs-Durchlässigkeit ein hoher Stellenwert zugemessen. Weil für viele Straßen keine sich leicht anbietenden Alternativen für Einbahnstraßenpaare vorhanden sind, wurde diese Thematik bei den Verhandlungen ausgeklammert, so dass bis 2027 hier keine grundlegenden Änderungen zu erwarten sind. Möglicherweise kommt es ja im Zusammenhang mit einer Neugestaltung der öffentlichen Buslinien in Freising in einigen Jahren zu veränderten Sachlagen.

b)  Keine „geschützten Fahrradstreifen“ konkret vereinbart

Generell konnte kein geschützer Fahrradstreifen („Protected Bikelane“) verbindlich vereinbart werden. Zwar enthält der Vertrag für einzelne Abschnitte der Mainburger Straße die Option, dass diese Gestaltungsform auch mit zum Einsatz kommt, die konkrete Detailplanung ist aber noch nicht abgeschlossen.

Auch bei der Isarbrücke (Hochtrasse) wäre es denkbar gewesen, dass der aktuell sehr schmale Radfahrstreifen auf 2,30 m verbreitert und als Protected Bikelane ausgeführt wird. Hier sind allerdings die Planungen der Stadt für die sowieso notwendige und anstehende Brückensanierung bereits relativ weit fortgeschritten. Dementsprechend wurde auch nicht mehr von den Planungen für eine kostenträchtige Verbreiterung der Gehwege und deren späterer Ausweisung als gemeinsamer Geh-Radweg abgerückt. Dies führt im Endeffekt aus Sicht von Fußgänger:innen und Radfahrer:innen zu einer suboptimalen Lösung, weil das Konfliktfeld Fußgänger:innen – Radfahrer:innen fortgeschrieben wird. Auch künftig bleibt es bei 2 Fahrspuren in beiden Richtungen für den Kfz-Verkehr.

Aus Sicht des Radentscheid ist aber gleichzeitig klar: die Isarbrücke (Hochtrasse) stellt keinen Ersatz für eine direkte durchgängige Radwegeverbindung auf Höhe des sog. ehemaligen Bahnpostens 15 dar!

2) Nur Stückwerk bei Fahrradrouten

Trotz der Vielzahl der vereinbarten Maßnahmen ist es nicht gelungen, das Ziel 2: Durchgängiges, leistungsfähiges Radvorrangnetz zumindest für eine Hauptroute (z. B. von Neustift nach Weihenstephan/Vötting als Pilotprojekt) zu erreichen. Letztendlich handelt es sich um eine Vielzahl von partiellen Lückenschlüssen.

In den meisten Fällen verkehren in den entsprechenden Straßenzügen Stadtbusse im 2-Richtungsverkehr. Als benötigte Breiten für den Busbegegnungsverkehr sehen die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RAST, Abschnitt 4.2) ein Mindestmaß für die Fahrbahnbreite von 6,00 m und ein Regelmaß von 6,50 m Breite vor. Anders als in vielen Großstädten, wo in solchen Fällen oftmals Einbahnlösungen realisiert werden können, sind aufgrund der geringen Größe von Freising eben in den meisten vielen Fällen keine geeigneten parallel verlaufenden Straßen vorhanden, die dann ein Einbahnstraßenpaar bilden könnten. Dies ist z. B. in der Saarstraße-Johannisstraße westlich der Altstadt oder der Ottostraße südlich der Altstadt der Fall. Ähnlich liegt der Fall in der Prinz-Ludwig-Straße, auch wenn hier längerfristig möglicherweise schon Einbahnstraßenansätze denkbar wären. Die Prämisse eines 2-Richtungs-Busverkehres hat es demzufolge nicht erlaubt, in diesen Straßen Fahrradstreifen oder auch nur Schutzstreifen (bei denen im Begegnungsverkehr von Bussen ja ein gelegentliches Überfahren möglich wäre wäre) durchgängig vorzusehen.

Aus dem Hauptnetz für Radfahrer:innen entsprechend dem Mobilitätskonzept sind auch keine Vereinbarungen für die Kammergasse getroffen worden, die ausgeklammert worden ist.

Auch eine Optimierung der beiden bestehenden Unterführungen unter der Bahn, an der Ottostraße und an der Dr.-von-Daller-Straße (zur Luitpoldanlage) wurde zugunsten des Vorantreibens der direkten Verbindung von der Innenstadt nach Lerchenfeld über den sog. ehemaligen Bahnposten 15 hintan gestellt. Wenn die Radverbindung am Bahnposten 15 in einigen Jahren dann (endlich) gebaut wird, sollten zweckmäßigerweise (weil dann während der Bauphase die Beeinträchtigungen für den Bahnverkehr sowieso vorhanden sind) Erweiterungen der beiden bestehenden Bahnunterführungen mit durchgeführt werden.

Von den Nebentrassen in Raderschließungsnetz schmerzt sicherlich, dass es nicht gelungen ist, eine Lösung für den Tuchinger Berg zu finden, die ohne größere bauliche Maßnahmen realisierbar erscheint. Die in Aussicht gestellten Verbesserungen beim Abbiegen von der Landshuter Straße bzw. die Überprüfung auf Tempo 30 stellen noch keine befriedigende Lösung dar. Solange aber Knackpunkte mit deutlich höherer Frequenz an Radfahrer:innen noch nicht umgesetzt sind, musste der Tuchinger Berg (wenn auch schweren Herzens) hintan gestellt werden.

3) Kreuzungen und Einmündungen

Zwar konnte in Bezug auf das Ziel 3: Gestaltung von Kreuzungen und Einmündungen erreicht werden, dass zumindest die beiden für Radfahrer:innen sicherlich problematischsten Kreuzungen, die sog. Korbiniankreuzung (von Neustift in die Innenstadt) und die Karlwirtkreuzung (aus Vötting kommend in die Innenstadt) als wichtige Punkte der Ost-West-Hauptverbindung bis 2027 entschärft werden. Auch die Kreuzungen Mainburger Straße/Kammergasse bzw. Alois-Steinecker-Straße werden im Zuge der Umgestaltung der Mainburger Straße mit angegangen, so dass für Radfahrer:innen hier sicherere Querungen möglich werden.

Es ist auch nicht gelungen, an allen ampelgeregelten Kreuzungen vorgezogene Aufstellbereiche für Radfahrer:innen zu vereinbaren, auch wenn diese im Zuge der anstehenden Umgestaltungen an manchen Stellen realisiert werden dürften. Immerhin ist ein Bemühen der Stadt erkennbar, sukzessive bei Einmündungen rote Markierungen anzubringen.

Auch die Freisinger „Bettel-„Ampeln (Bedarfsampeln) – die der Fokussierung auf möglichst hohe Kapazitäten für den motorisierten Verkehr geschuldet sind – wurden aus dem Vertrag ausgeklammert.

4) Interkommunale Radschnellwege

Weitgehend ausgeklammert werden musste das Themenfeld interkommunale Rad(‑schnell‑)wege, da hier übergeordnete Behörden zuständig sind. Zumindest konnte vereinbart werden, dass die Stadt Freising aktiv auf die zuständigen Baulastträger zugehen und auf Schaffung entsprechender Verbindungen hinwirken wird („im Rahmen ihrer Möglichkeiten“). Auch das aktive Angehen der Verbindung nach Neufahrn entlang der S1 im Februar 2022 kann als Anzeichen gesehen werden, dass hier für die nächsten 5 Jahre kein vollkommener Stillstand zu erwarten ist.

5) Fahrradabstellmöglichkeiten

Auch bei diesem Ziel blieben manche Punkte auf der Strecke. Zwar hat sich die Stadt Freising dazu bekannt, in den nächsten 5 Jahren am P+R-Parkplatz (Lerchenfelder Seite des Bahnhofs), in der Luitpoldanlage und am S-Bahn-Haltepunkt-Pulling überdachte Fahrradabstellanlagen zu errichten.

Eine darüber hinausgehende Vereinbarung auf entsprechendes Agieren für „wichtige Orte des öffentlichen Lebens“, wie es im Begehrenstext heißt, ist nicht enthalten. Gleichzeitig ist anzuerkennen, dass die Stadt Freising – vor allem auf Betreiben ihres Mobilitätsbeauftragten – für die im Begehrenstext bei Abstellmöglichkeiten erwähnten Lastenfahrrädern ein eigenes Förderprogramm für den Kauf eingerichtet hat und in Kürze auch ein eigenes Lastenradmietangebot einrichten wird.

… und dass die Verhältnisse an öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsflächen, die im Wirkungsbereich der Stadt Freising liegen, nicht aus dem Blick geraten, ist sicherlich auch eine der Aufgaben der Aktiven des Radentscheids in den nächsten Jahren, sowie unser zentralen Unterstützerorganisationen, dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie den Anliegen des Radentscheids wohlgesonnenen Parteien und Fraktionen.

Der Radentscheid war aufgrund seiner Orientierung am Mobilitätskonzept der Stadt Freising und am Ziel, eine entsprechend stringente Umsetzung zu erreichen, relativ stark auf konkrete radverkehrsinfrastrukturelle Maßnahmen fokussiert. Dies paust sich auch im vereinbarten Vertrag durch, der vor allem auf Radverkehrsanlagen abstellt.

Aspekte wie ein fahrradfreundliches Klima in der Stadtpolitik, schulische Verkehrserziehung oder Schulwegesicherheit und andere sog. „Soft Policies“ sind demgegenüber sicherlich etwas zu kurz gekommen. Gleichzeitig gibt es hier ja bereits eine Reihe von Ansätzen, von der intensiven Beteiligung am sog. „Stadtradeln“ oder der Aktion der „Aktive City Freising „Mit dem Rad in die Stadt“. Diese Ansätze sind in den kommenden Jahren noch zu intensivieren und auf eine breitere Basis zu stellen. Auch hier fühlt sich der Radentscheid Freising in der Mit-Verantwortung. Andererseits gilt aber auch, dass natürlich vieles im Bereich der Radverkehrsförderung nicht allein auf kommunaler Ebene „gestemmt“ werden kann. Hier ist sicherlich auch die Landesregierung gefordert, ggf. mit einem Radgesetz entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.

Auch wenn nicht alle unsere Forderungen umgesetzt werden konnten, so freuen wir uns über das mit dem Vertrag Erreichte. Das (noch) nicht Erreichte soll uns weiter Ansporn sein, nicht nachzulassen
… und dabei zählen wir auch weiterhin auf die aktive Unterstützung der Freisinger:innen.