Blog
Mobilitätskonzept 2019
Mobilitätskonzept Stadt Freising 2019 "nachhaltig.mobil."
Die Stadt Freising hat im Jahr 2019 ein Mobilitätskonzept unter dem Titel „nachhaltig.mobil.“verabschiedet.
Link zur vollständigen Fassung des Mobilitätskonzeptes auf den Seiten der Stadt Freising
Vorausgegangen waren umfassende Erhebung zum Mobilitätsverhalten in Freising.
Laut den Erhebungen zum Mobilitätskonzept werden ein Drittel der Wege aller Freisinger:innen (Gesamtverkehr) mit dem Fahrrad zurückgelegt. Werden nur die Wege innerhalb Freising betrachtet (Binnenverkehr), sind es mehr als 40 % der Wege (Stadt Freising: nachhaltig.mobil. Mobilitätskonzept Stadt Freising 2019, S. 11).
Gleichzeitig wurde damals zur Förderung des Radverkehrs ein Netz aus Haupt- und Erschließungsrouten beschlossen. Sieht man sich die Verteilung der Mittel für Investitionen in Verkehrsinfrastruktur oder die Widmung von Verkehrsflächen für die einzelnen Mobilitätsarten an, spiegelt sich aktuell dieser Anteil am Modal Split nicht darin.
Mobilitätskonzept Stadt Freising 2019 „nachhaltig.mobil.“ Zielnetz Radverkehr Kernstadt (Quelle: Stadt Freising 2019, S. 107)
Zielnetz Radverkehrs im Mobilitätskonzept bereits von der Stadt beschlossen
Mit dem Mobilitätskonzept hat die Stadt Freising beschlossen, dass ein abgestuften Netz von Fahrradinfrastruktur geschaffen werden soll.
Dabei wird zwischen einem sog.
- Hauptnetz (in der Karte in „Rot“ dargestellte Linien) und einem
- Erschließungsnetz (dünnere gelbe Linien in der Karte)
unterschieden.
Auch entsprechende potenzielle Lückenschlüsse und die Problemstellen der Bahnunterquerungen sind dort entsprechend mit aufgeführt.
Zielnetz Radverkehr Kernstadt zum Herunterladen in Druckqualität
Auch die Anbindung der Ortsteile ist eigentlich bereits beschlossen
Im Mobilitätskonzept ist auch die Anbindung der Ortsteile – teilweise als Hauptnetz – aber weitgehend als Erschließungsnetz mit beschlossen worden.
Allerdings handelt es sich dabei (außerhalb der geschlossenen Ortschaften) zum erheblich Teil um Kreis- oder Staatsstraßen, bei denen die Baulastträgerschaft eben nicht bei der Stadt Freising liegt. Die Umsetzung der Festlegung als Haupt- oder Erschließungsnetz – z. B. durch den Bau von straßenbegleitende Radwegen – liegt damit nicht direkt in der Hand der Stadt Freising.
Gleiches gilt für die seit einigen Jahren diskutieren Radschnellverbindungen zu Nachbargemeinden – insbesondere in Richtung Neufahrn/Eching oder Garching-München. Diese werden zwar auch in der Metropolregion München bereits seit einigen Jahren diskutiert, ohne dass die Umsetzung schon entsprechend zügig voran schreitet.
Mobilitätskonzept Stadt Freising 2019 „nachhaltig.mobil.“ Zielnetz Radverkehr Gesamtstadt (Quelle: Stadt Freising 2019, S. 108)
Mobilitätskonzept Stadt Freising 2019 „nachhaltig.mobil.“ Radroutennetz Freising (Quelle: Stadt Freising 2019, S. 109)
Radroutennetz für wichtige Verbindungen in der Kernstadt ist ebenfalls schon lange festgelegt
Für wichtige Verbindungen aus den Stadtteilen in die Innenstadt und zwischen den Stadtteilen wurde im Mobilitätskonzept ebenfalls bereits eine sog. Radroutennetz entwickelt.
Dieses sollte prioritär umgesetzt werden.
Allerdings zeichnete sich dann im Laufe des Jahres 2019 ab, dass es auch mit diesem Mobilitäskonzept möglicherweise so gehen könnte, wie es schon oft mit politischen Willensbekundungen erfolgt ist: sie landen in der Schublade und verstaubern dort langsam.
Um dies zu verhindern hat sich im Januar 2020 das aktionsbündnis Radentscheid Freising gegründet.
Wie in mehr als 50 anderen deutschen Städten sollte mit einem Bürgerbegehren eine entsprechende Umsetzung eingefordert werden.
Gründung Aktionsbündnis Radentscheid Freising aufgrund schleppender Umsetzung des Mobilitätskonzeptes
Der Radentscheid setzt im Wesentlichen auf dem bereits 2019 vom Stadtrat beschlossenen Mobilitätskonzept ‚nachhaltig.mobil‘ mit einem Zielnetz aus Haupt- und Erschließungsrouten für den Radverkehr auf. Nachdem die Umsetzung danach jedoch nur ‚homöopathischen Dosen‘ voran kam und die Gefahr bestand, dass die im Mobilitätskonzept formulierten Maßnahmen wieder einmal ‚in der Schublade verstauben‘, soll mit dem Radentscheid hier Bewegung in die Umsetzung kommen. Wir sind keine Traumtänzer oder ideologisch verbohrte Chaoten. Unsere Ziele stellen auf ein gleichberechtigtes Miteinander aller Verkehrsteilnehmer:innen ab. Nach Jahrzehnten einer stark auf die Belange des motorisierten Kfz-Verkehrs ausgerichteten Politik ist es Zeit für eine Verkehrswende. Dies bedeutet nicht die Verdammung des Automobils, sondern eben gleichberechtigte Berücksichtigung auch der (Sicherheits-) Bedürfnisse von nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer:innen. Uns ist bewusst, dass dies auch mit Einschränkungen für den motorisierten Verkehr verbunden ist, wenn den Radfahrer:innen entsprechende Verkehrsflächen gewidmet werden – nachdem dies Jahrzehnte lang oftmals zulasten der Fußgänger:innen gegangen ist, wenn auf Fußwegen auch Radwege abmarkiert worden sind.
Die Initiatoren des Radentscheids waren das jahrzehntelange Warten leid und wollten erreichen, dass nun endlich Bewegung in die Sache kommt. Dabei haben sie in ihrem Begehrenstext konkret Bezug genommen auf die Versprechungen des Mobilitätskonzeptes. Es geht nicht um eine einseitige Priorisierung des Radverkehrs – erst Recht nicht auf Kosten der Fußgänger:innen, wie die jahrzehntelang durch Abmarkierung von Radstreifen von den Bürgersteigen erfolgt ist – sondern um ein Abzielen auf die angemessene Berücksichtigung der Belange aller am Verkehr Teilnehmenden. Ähnlich wie bei der Geschlechtergerechtigkeit bedeutet das aber auch, dass eben bislang prioritär berücksichtigte Verkehrsmittel etwas zurück stecken müssen, um den gerechten Ausgleich zu erreichen.
Seit fast einem Jahrhundert wird Verkehrspolitik primär an den Belangen des motorisierten Verkehrs ausgerichtet. Mit den bekannten Folgen der Klimakrise, des Ressourcenverbrauchs, unterschiedlicher Emissionen, Landschaftsversiegelung oder der „Unwirtlichkeit“ der auf autogerecht getrimmten Städte. Wie in zehn anderen bayerischen Städten hat sich auch in Freising 2020 ein Aktionsbündnis gegründet, das zum Ziel hat, sicheres, einfaches und intuitives Radfahren in der Stadt zu erreichen, nachdem dem Beschluss des Mobilitätskonzeptes wieder einmal kaum konkrete Maßnahmen folgten. Vieles, was dort beschlossen worden ist, steht übrigens schon im Radkonzept für die Stadt Freising von Dorsch Consult aus dem Jahre 1984.
Dass eine Verkehrswende jahrzehntelange Priorisierungen für die Kfz in Frage stellt und damit natürlich auch in den konkreten Fällen auch Verkehrsflächen umgewidmet werden, manchmal auch auf Kosten der Flüssigkeit und Direktheit des Kfz-Verkehrs liegt auch am begrenzenden Faktor: den zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsflächen. Ein solches Neu-Austarieren ist nie ein einfacher Prozess. Vielmehr erfordert es ein intensives Ringen um mögliche Lösungen, die möglichst vielen Belangen und Interessen gerecht werden und damit eben auch Kompromissen zwischen heterogenen Interessenslagen. Das sind keine „Schnapsideen“, sondern eben Versuche, nach jahrzehntelangem Ungleichgewicht eine Balance herzustellen. Dass dabei an manchen Stellen auch Schleichwege für den Durchgangsverkehr erschwert und dieser auf die – ja mit erheblichem finanziellen Aufwand erstellten – Umgehungsstraßen verwiesen wird, kann mit dazu beitragen, dass nur noch der notwendige motorisierte Verkehr (aller Schwierigkeit der Fassung des Begriffes) auf den Quartierstrassen in Freising stattfindet. Mit einer Reduzierung des motorisierten Verkehrs kann gleichzeitig ein Gewinn an Qualität des öffentlichen Raums verbunden sein, der eben nicht nur zu Kfz-Trassen degradiert wird, sondern auch Lebensqualität beim Erleben des öffentlichen Raums mit bedeuten kann.
UPDATE Februar 2022
Im Vertrag mit der Stadt Freising wurde vereinbart, dass eine ganze Reihe von Fahrbahnabschnitten, die im Mobilitätskonzept als Haupt- oder Erschließungsrouten für Radfahrer:innen bereits festgelegt worden sind, in den nächsten Jahren entweder umgesetzt werden oder zumindest die Planungen voran getrieben werden. In den Fällen in denen eine eigenständige Führung aufgrund der Fahrbahnbreite aktuell bei 2-Richtungsverkehr für Kfz nicht möglich ist, wurden Perspektiven für eine Temporeduzierung vereinbart. Auch für manche Abschnitte von Kreis- und Staatsstraßen sind entsprechende Schritte in Aussicht gestellt worden.